4. Die Ära unserer vier Dirigenten in den letzten 60 Jahren (1946 - 2007)

  • 1) Albert Winter (1946-1966)
  • 2) Walter Scholz (1966-1975)
  • 3) Kurt Sauter (1975- 1976)
  • 4) Herbert Ferstl (1976-2007)
  • 5) Rolf Hille (2007-Heute)

Albert Winter

Albert Winter, ehemaliger Polizei- und Militärmusiker, zuletzt Dirigent einer Regimentskapelle im 2. Weltkrieg, sein Instrument: Solo-Klarinette und Violine, Er begann 1946 den Neuaufbau der Stadtkapelle, nachdem nur noch 8 Musiker den 2. Weltkrieg überlebt hatten. Die Musikerausbildung übernahm er weitgehend selbst. Schon nach 12 Jahren, im Jahr 1958, Beteiligung an einem Wertungsspiel in der Oberstufe beim Bundesmusikfest in Karlsruhe und Auszeichnung mit der höchsten Note „hervorragend“.

Winter leitete die Stadtkapelle bis 1966, also 20 Jahre ! Aus der Ära Winter sind heute noch 7 Musiker aktiv. Regelmäßig wurde an Ostern, Pfingsten und am Zwetschgenfest um 11 Uhr ein Platzkonzert im Stadtgarten durchgeführt. Um den schönen Pavillion standen die Zuhörer in großer Zahl und hörten der Stadtkapelle zu, die hauptsächlich konzertante Musikstücke spielte. zB „Die schöne Galathé“, „Wiener Blut“, „Florentiner Marsch“, „Heinzelmännchens Wachparade“, „Eine Nacht in Venedig“, „Die diebische Elster“ usw.

1958 feierte man das große 200-jährige Jubiläum der Stadtkapelle. In der damaligen Obstmarkthalle OAG wurde 3 Tage gefeiert und u.a. als Festbankett ein Doppelkonzert mit den Stadtkapellen von Achern, Offenburg und Bühl veranstaltet. Auf dem Programm standen so bedeutende Stücke wie:

  • „Die Meistersinger von Nürnberg“ davon die Ouvertüre aus der Wagner Oper
  • „Ungarische Rhapsodie“ von Koester
  • „Finnlandia“ sinfonische Dichtung von Sibelius
  • „Dichter und Bauer“ Ouvertüre von Franz von Suppé
  • „Königsmarsch“ von Richard Strauss

Beim Festumzug am Sonntag waren 20 Musikkapellen beteiligt. Es war ein Bezirksmusikfest des Blasmusikbezirks Yburg-Windeck. Die Stadtkapelle bestand in diesem Jahr aus 33 Musikern.

Viele Auftritte wurden in den 20 Jahren von Albert Winter als Dirigent geleitet. Neben den jährlich regelmäßigen Auftritten an Fastnacht, beim Zwetschgenfest, an den kirchlichen Festtagen und Vereinsjubiläen können wir an die einmaligen Termine erinnern, so an die Abholung der neuen Glocken für die Stadtkirche, den Empfang der 1. elektrischen Lokomotive in Bühl, die Grundsteinlegung für das Bühler Kreiskrankenhaus, aber auch an Auftritte in Wolfach (1958) oder beim Kurhaus Sand (1961).

Im Jahre 1955 wurde auch eingeführt, an jedem 24. Dezember = Heilig Abend, im Bühler Krankenhaus und später in den Bühler Altersheimen Weihnachtslieder zu spielen. Diese Tradition wird auch heute noch durch die Stadtkapelle gepflegt.

Nach 20 Jahren mußte Albert Winter aus gesundheitlichen Gründen im Jahre 1966 das Dirigentenamt der Stadtkapelle Bühl abgeben.

Beim 200-jährige Jubiläumskonzert 1958 mit Dirigent Albert Winter

Walter Scholz

Unter mehreren Bewerbern um das Dirigentenamt der Stadtkapelle Bühl konnte der damalige Oberbürgermeister Erich Burger Walter Scholz verpflichten. Er war Mitglied des Südwestfunk- Symphonie-Orchesters in Baden-Baden und spielte dort die Solo-Trompete.

Mit ihm, dem „Trompeter vom Schwarzwald“ steuerte die Stadtkapelle einen neuen Kurs. Das Repertoire wurde durch moderne Blasmusik und vor allem durch mehr Volksmusik ergänzt. Auch wurde die Kapelle neu eingekleidet. Ein sog. Trachten-Look wurde kreiert in den Bühler- (blau, gelb), den Badischen- (rot, gelb) sowie den Deutschland- Farben (schwarz, rot, gold). Vor allem die gelben Kniebundsocken wurden ein unverkennbares und einmaliges Erkennungszeichen der Stadtkapelle Bühl.

Die Kapelle bestand anfangs aus 33 Musikern und ohne Frauen ! Walter Scholz versuchte mit Erfolg die Musikerschar zu vergrößern und junge Leute zu integrieren.

Schon im Jahr 1967 wurde ein großes Wunschkonzert veranstaltet. Walter Scholz und Rolf Schneebiegl, der unvergessene Leiter der Schwarzwaldmusikanten, traten als Solisten auf. Der Reinerlös von fast 4000 DM wurde für den Bau des Erich-Burger-Heimes gespendet. Der Komponist Willi Löffler, aus dessen Feder viele Noten gespielt wurden, war mehrmals bei Konzerten der Stadtkapelle anwesend.

Mit der Stadtkapelle reiste Walter Scholz in seine Heimat Usseln im Sauerland. Dort wurde mehrmals ein großes Schützenfest musikalisch bereichert. Im Land der Meisterchöre wurde die Bühler Blasmusik stürmisch gefeiert. Im Jahre 1969 wurde man zum Hessischen Landesfeuerwehrtag in Arolsen verpflichtet. Neben mehreren Unterhaltungskonzerten wurde am Abend zusammen mit einem Feuerwehr-Spielmannszug der „Große Zapfenstreich“ aufgeführt. Neben hunderten, angetretenen spalierstehenden Fackelträgern gab es riesigen Beifall von vielen tausenden Zuhörern.

Stadtkapelle Bühl 1969 in Arolsen mit Dirigent Walter Scholz

Durch die Schwarzwaldmusikanten wurde Walter Scholz mit seiner Trompete als Solist bekannt. Der „Trompeter vom Schwarzwald“ ist sein Markenzeichen. Zu vielen Auftritten mußte/ konnte die Stadtkapelle als Begleitkapelle mitreisen. Vom gesamten Badischen Raum über den Hochrhein zum Bodensee und ins Elsaß waren wir mit Walter Scholz bei vielen Veranstaltungen unterwegs. Überall volle Säle und Festzelte und begeisterte Zuhörer. Er verstand es, mit einer guten Mischung aus Märschen, Dixieland, Polkas, Marschliedern, Volksmusik, Musicals und Soli’s ein Programm zu gestalten. Berühmt sind seine Soli’s „Die Teufelszunge“ und „Der alte Dessauer“, die wir bestimmt hundert Mal mit ihm gespielt haben. Hier muß unbedingt unser langjähriger Vizedirigent Roland Liebich genannt werden, der bei diesen Soli’s den Dirigentenstab sicher übernahm.

Weitere typische Musikstücke aus der Scholz Ära sind: Marsch aus My Fair Lady, Fuchsgraben-Polka, Amalien-Polka, Dixie Parade, Mister Dixie, Treffpunkt City, Military Escort, Amphitryon-Walzer, Trompeten-Echo, Kammbläser-Marsch, Artisten-Show, Erinnerungen an ein Ballerlebnis.

Die Karriere des „Trompeters vom Schwarzwald“ ging steil nach oben. Fast tägliche Auftritte und Termine standen an. Aus diesen beruflichen Gründen mußte Walter Scholz im Frühjahr 1975 das Dirigentenamt nach 9 Jahren bei der Stadtkapelle Bühl abgeben.

Kurt Sauter

Stadtkapelle Bühl 1975 mit Dirigent Kurt Sauter

Nach dem für alle Musiker plötzlichen Abschied von Walter Scholz konnte mit Kurt Sauter ein neuer Dirigent gewonnen werden. Auch er war Berufsmusiker beim Südwestfunk Baden-Baden. Er war ebenfalls ein begnadeter Trompeter. Auch er brachte einige neue Stücke ins Repertoire der Stadtkapelle ein.

Aus gesundheitlichen Gründen konnte Kurt Sauter nur ein Jahr bei der Stadtkapelle Bühl dirigieren. ( von März 1975 bis Januar 1976 )

Herbert Ferstl

Nach der kurzen Stipvisite von Kurt Sauter mußte wieder ein neuer Dirigent für die Stadtkapelle gefunden werden. Nach mehreren Empfehlungen wurde wiederum von Oberbürgermeister Erich Burger im Februar 1976 Herbert Ferstl verpflichtet. Er war Kammermusiker am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Sein Hauptinstrument ist die Posaune. Durch die Mitwirkung in verschiedenen Ensembles war er vor allem im Volksmusikbereich aktiv und bekannt mit Rolf Schneebiegl, Walter Scholz und Kurt Sauter.

Als begabter Komponist volkstümlicher Blasmusik sowie als Arrangeur ist er sehr geschätzt. Der gebürtige Bayer hat viele Noten für die traditionelle alpenländische Blasmusik geschrieben bzw. nach alten Musikstücken geforscht und sie notenmäßig dokumentiert. Viele volkstümliche Ferstl-Noten werden heute sogar in Japan gespielt.

Für die Stadtkapelle hat er ca. 600 Musikstücke komponiert oder zumindest auf deren Besetzung hin arrangiert. Die meisten Konzerte, Kirchen-Konzerte, Bayrische Abende und sonstige Auftritte der letzten Jahre wurden ausschließlich mit „Ferstl-Noten“ gespielt.

Er hat mit seinen Stücken bei der Stadtkapelle einen unverwechselbaren „Ferstl-Sound“ geprägt.

Am 225-jährigen Jubiläum 1983

Von Anfang an war ihm die Jugendausbildung ein besonderes Anliegen. In Zusammenarbeit mit der städtischen Musikschule wurden Jugendliche ausgebildet und dann in die Stadtkapelle integriert. Von 1983 bis 1994 existierte eine seperate Jugendkapelle. Später wurden die Jugendlichen nach Ablegung der JMLA-Prüfung (Jung-Musiker-Leistungs-Abzeichen) gleich in die große Stadtkapelle aufgenommen. Viele junge Musiker konnten in unseren Konzerten als Solisten auftreten und dabei Erfahrung sammeln.

Bei der Übernahme der Direktion von Herbert Ferstl bestand die Stadtkapelle aus 35 Musikern. Innerhalb von 2 Jahren erhöhte sich die Anzahl auf 44 Musiker und erstmals war eine junge Frau dabei ( Roswitha Zimmer am Waldhorn). Weitere 20 Jahre später, nach Integration der Jugendkapelle, wurde die 60er Marke übersprungen und letzlich im Jahr 2007 zählten wir 69 aktive Musiker, davon 19 Frauen/Mädchen = 27 %.

Herbert Ferstl war von 1976 bis 2007 Dirigent der Stadtkapelle Bühl, also 31,5 Jahre ! Diese kontinuierliche lange Zeit, geprägt von vielen erfolgreichen Auftritten, drückt sich auch in der Zugehörigkeit und Beständigkeit vieler Musiker aus: Mitte 2007 waren 50 Musiker/innen mehr als 10 Jahre aktiv und davon 23 sogar mehr als 25 Jahre und 8 Musiker mehr als 40 Jahre aktiv. 16 Musiker haben die ganzen 31,5 Jahre mit Herbert Ferstl zusammen musiziert.

Stadtkapelle Bühl 1998 mit Dirigent Herbert Ferstl

Die Musiker-Jahre mit Herbert Ferstl waren geprägt von wöchentlichen intensiven Proben und vielen Auftritten. Dabei hat die Stadtkapelle immer einen guten Eindruck gemacht und die Stadt Bühl würdig vertreten. „Sie ist das musikalische Aushängeschild der Stadt Bühl“ sagte mehrmals unser ehemaliger Oberbürgermeister Hans Striebel.

Stadtkapelle Bühl beim Weinfest und Stadtfest (von links/oben)

Jährliche Höhepunkte:

  • Konzert im Mai
  • Bayrischer Abend im Oktober
  • Kirchenkonzert am 1. Advent

Sonstige Termine:

  • Unterhaltungskonzerte und Frühschoppen
  • Marschmusik bei diversen Umzügen
  • Vereins- und Firmenjubiläen in Bühl und Umgebung
  • städtische und kirchliche Veranstaltungen
  • Besuche und Auftritte bei Bühler Partner-Städten

Besondere Erfolge:

  • 1979 1. Schallplatte: „Frühschoppen mit der Stadtkapelle“
  • 1983 2. Schallplatte: „Wunschkonzert mit der Stadtkapelle“
  • Direktsendung des SWF vom 225jährigen Jubiläumskonzert
  • Sieger der Volkstümlichen Hitparade mit „Kuckuckswalzer“
  • Konzert mit René Kollo und der Stadtkapelle in der Schwarzwaldhalle

Auftritte im Ausland:

  • Villefranche/Frankreich
  • Vilafranca/Spanien
  • Mattsee und Salzburg/Österreich
  • Bümplitz/Schweiz
  • Haderslev/Dänemark

Auftritte in anderen Bundesländern:

  • Schliersee/Bayern
  • Attendorn und Windhausen /Sauerland
  • Kandel/Pfalz
  • Monschau/Eifel
  • Waldheim/Sachsen
  • Schkeuditz/Sachsen
  • Diedenbergen/Hessen

Die Konzerte waren immer als sogenannte Themenkonzerte ausgelegt. Dabei versuchte Herbert Ferstl mit jedem Musikstück einen Bezug zum Thema herzustellen, entweder im Titel oder im Inhalt des Musikstückes. Beispiele aus den letzten 15 Jahren:

  • 2007: Sonne, Mond und Sterne
  • 2006: „vorwiegend heiter“ 30 Jahre Herbert Ferstl
  • 2005: Darf ich bitten ? - Tanzmusik im Wandel der Zeit
  • 2004: Salonmusik & Charakterstücke
  • 2003: Heitere Klassik, schwungvolle Tänze
  • 2002: Ein Festival der leichten Muse
  • 2001: 25 Jahre Herbert Ferstl , Rückblick und Posaunenkonzert
  • 2000: Von Lust und Liebe
  • 1999: Ein Tierisches Konzert
  • 1998: Marschimpressionen
  • 1997: Wien bleibt Wien
  • 1996: Vom Chanson zum Can-Can
  • 1995: Die Rolle von Schlagzeug und Percussion in der Blasmusik
  • 1994: Bella Italia
  • 1993: orientalische Musik

Zusammen mit einer informativen Ansage sollten die Konzerte für den Zuhörer zu einem Erlebnis werden. Dazu haben wir in obigen Konzerten mit bewährten Moderatoren zusammengearbeitet, denen Herbert Ferstl viel musikalischen „Stoff“ vorgegeben hatte: Sigisbert Laforsch, Hermann Egner, Baldur Seifert und Frank Stemmle waren für uns aktiv.

Im Jahre 1981 hatte Herbert Ferstl die Idee einen Bayrischen Abend in Bühl in der Bachschloßhalle zu veranstalten. Der Erfolg war so groß, dass in den folgenden 26 Jahren diese Veranstaltung zum stimmungsmäßigen Höhepunkt im jährlichen kulturellen Leben der Stadt Bühl wurde und jeweils schon im Voraus ausverkauft war.

Von überregional kamen die Besucher, meist in Dirndl und Lederhosen, es gab Original Münchner Wies’n Bier, Weißwurst, Fleischkäse, Radi sowie Rahmkäse. Die Stadtkapelle spielte ein 4-stündiges Non-Stop-Programm, unterbrochen durch lustige Spiele und Gesangs- und Tanzdarbietungen. Es sang und schunkelte der ganze Saal. Das besondere der letzten Jahre war immer der Auftritt der „Schwarzwaldmarie“.

Seit 1983 veranstalteten wir jedes Jahr am 1. Advent-Sonntag unser Kirchen-Konzert in der Bühler Stadtkirche St. Peter & Paul. Herbert Ferstl war dieser Termin immer sehr wichtig. Er schrieb dutzende von Musikstücke, für die Kapelle, für Solisten und für kleine Instrumenten-Gruppen. Jedes Jahr konnten ca. 600-800 Zuhörer interessante alte Stücke hören, die auf die heutige Blasmusikbesetzung und vor allem auf den besonderen Raum-Hall und –Klang dieser Kirche zugeschnitten waren.

Für seine großen Verdienste um die Stadtkapelle wurde Herbert Ferstl im Jahre 1986 vom damaligen Oberbürgermeister Ulrich Wendt zum Stadtmusikdirektor ernannt.

Im Jahre 1999, an seinem 60. Geburtstag, ernennen die Musiker, Musikerinnen und der Vorsitzende der Stadtkapelle, Albrecht Müller ihren Dirigenten und Freund Herbert Ferstl zum Ehrenmitglied.

Leider hat Herbert Ferstl während der Vorbereitungszeit auf das 250-jährige Jubiläum, im Juli 2007 auf eigenen Wunsch den Dirigentenstab bei der Stadtkapelle Bühl niedergelegt. Damit ging nach 31,5 Jahren eine sehr erfolgreiche Ära zu Ende.

Rolf Hille

Seit 2007 der Dirigent der Stadtkapelle Bühl.

Mehr über unseren Dirigent Rolf Hille