3. Bühler Blasmusik über fast 200 Jahre (1759 - 1945)

Das rege Bürgerleben und das den kulturellen Belangen besonders aufgeschlossene Bürgertum des Marktfleckens Bühl beeinflußte und förderte die Blasmusik in Bühl. Seit dem Mittelalter und den nachfolgenden zwei bis drei Jahrhunderten wissen wir, daß gerade von den Zünften starke Impulse für das Gesellschaftsleben ausgingen. In Bühl waren dies vor allem die Bäcker, die Metzger und die Hänfer. Bekannt ist auch, daß die Bühler ein heiteres Volk waren und gerne Feste feierten. Und was sind Feste ohne Musik ? „Jung und alt trafen sich zum öffentlichen Tanzvergnügen unter der Dorflinde“, dies kommt in alten Schriften immer wieder vor.

Ein wichtiges Dokument ist das Programm des Secularfestes Carl Friedrichs aus dem Jahre 1828. Hier wird zunächst des hundertjährigen Geburtstages von „Carl Friedrich“ gedacht. Dann wird das Fest in seinem Ablauf detailliert beschrieben. Im §2 steht: „Sonntag den 23ten verkünden morgens früh 5 Uhr das Geläute aller Glocken und der Zug der türkischen Musik den festlichen Tag“. Am Vorabend wird das Fest während einer vollen Stunde eingeläutet und von 10 zu 10 Minuten mit dem Geschütze gefeuert, sodann ein angemessenes Lied unter der Begleitung von Blasinstrumenten von einem auf dem Kranze des Kirchturms befindlichen Chor gesungen. Ab 6 Uhr werden auf den benachbarten Bergen des Amtsbezirks Freudenfeuer angezündet. Durch die in den Straßen hinziehende türkische Musik wird dieser Abend beschlossen.“ Bei §4 steht: „Um neun Uhr setzt sich ein Zug nach folgender Ordnung in Bewegung: 1. Die Musik; 2. Eine Abteilung Bürgermilitär; 3. die Schulkaben; 4. die Schulmädchen; 5. zwölf weißgekleidete Mädchen mit Bändern; das Ortsgericht mit dem Bürger-Ausschuß und die Zünfte.“ §7 beschreibt den feierlichen Gottesdienst. In diesem werden vierstimmige Kirchenlieder, unter Begleitung von Blasinstrumenten, gesungen.

Dieses und andere Dokumente sind gute Beweise für die Existenz einer Blaskapelle Bühl. Der Begriff „türkische Musik“ wurde in dieser Zeit verwendet, weil die Instrumente der türkischen Janitscharen ( also Schellenbaum, Lyra, Triangel, Becken ; alles was so klimbert) erstmals in die Blaskapellen integriert wurden. Ob die Kapelle ab dem Jahre 1835, dem Jahr der Erhebung des Marktfleckens Bühl zum Amtsort, gleich den Namen Stadtkapelle erhielt, ist nicht sicher. In Gemeindeakten von Bühlertal wird 1842 von den „Bühler Stadtmusikern“ berichtet, die wiederholte Male aufgespielt haben. Über Dirigent und Musiker ist aus dieser Anfangszeit nichts bekannt.

Lehrer Machold dirigierte 1857 die Kapelle. Er war Lehrer an der Bühler Volksschule und wurde als Dirigent der Stadtkapelle angestellt. Im Stadtarchiv ist eine Satzung aus dem Jahre 1859, die nach dem 100-jährigen Jubiläum aufgestellt. wurde. Damals bestand die Kapelle aus 15 Mann, meist noch Jugendlichen.

Nachfolger von Lehrer Machold wurde Musikdirektor Schickel. In seiner Ära hatte die Stadtkapelle schon ein besonderes Niveau. Es wird berichtet, daß mehrfach in Bad Hub vor hohen Persönlichkeiten gespielt wurde. So u.a. vor König Wilhelm von Preußen, Fürst Bismarck, Großherzog Friedrich von Baden, vor Maria Theresia und Napoleon. Aber auch vor österreichischen Offizieren aus der Festung Rastatt und vor bessersituiertem Volk aus Straßburg. Im Stadtarchiv liegt ein handgeschriebenes Tagebuch von Josef Schmidt, geboren am 16. Nov. 1850. Er schreibt dort ua. dass er 1862 angefangen hat mit Musikunterricht bei MD Schickel und zuerst in einer Jugendkapelle, später dann in der großen Kapelle mitgespielt hat. Gleichzeitig war er noch im Gesangverein Harmonie Bühl aktiv.

Ab 1871 übernahm Franz Bauer aus Eisental für drei Jahre den Dirigentenstab. Dies war nur eine Überbrückungszeit bis dann 1874 der legendäre Hermann Wendling für 40 Jahre die Geschicke der Stadtkapelle leitete. Neben den jährlich wiederkehrenden Auftritten, wurde bei zwei großen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bühl im Jahre 1884 und 1905 Musik gemacht. Es wurden auch Konzerte im Bühler Stadtgarten im Musikpavillion durchgeführt. In die Dirigentenzeit Hermann Wendlings fällt der Beginn des 1. Weltkrieges und die Musiker mußten zu dem Dienst mit der Waffe. Um weiterhin eine spielfähige Kapelle zu haben, gründete Wendling eine eigene Jugend-Stadtkapelle.

Viele aktive Musiker kamen nicht mehr aus dem Krieg nach Hause. Die Heimkehrer trafen sich aber schon im Jahre 1919 im Gasthaus Kreuz zu einer ersten Probe. Zum Dirigenten wurde damals Paul Krüger bestimmt. Vier Jahre später übernahm Alfons Kirsch sen. das Dirigentenamt. Er war ein bekannter Militärmusiker und Stabsmusikmeister. Er brachte die Stadtkapelle Bühl wieder auf ein hohes Niveau und konnte viele Auftritte auch außerhalb von Bühl durchführen. Er war nach dem 2. Weltkrieg viele Jahre Verbandsdirigent im Musikverband Mittelbaden, der im Jahr 1906 schon gegründet worden war und die Region zwischen Rastatt, Kehl und Oberkirch zusammenfaßte.

Im Jahre 1927 wurde Ernst Hundertmark zum Dirigenten der Stadtkapelle Bühl bestimmt. Die Komponisten der 20er Jahre bestimmten auch schon das Repertoire der Stadtkapelle. Paul Linke, Franz Lehar, Fred Raymond, Willi Meisel und Ralph Benatzky waren mit ihrer „leichten“ Unterhaltungsmusik vertreten und kamen gut an. Im Jahr 1928 waren in der Stadtkapelle drei Musiker mit dem Namen Wendling aktiv. Von Emil Wendling sind während der Recherchen zur Festschrift (2008) handgeschriebene Noten aufgetaucht mit dem Titel: "Bühler Frühzwetschgen-Marsch". (Diese Noten hat Dirigent Rolf Hille für unsere Besetzung arrangiert, welche dann am Jubiläumskonzert 2008 aufgeführt wurde.) Das 175-jährige Bestehen der Stadtkapelle wurde 1933 gefeiert unter dem damalige Vorsitzende Karl Wirth. In der Festschrift zum Jubiläum lobte er ausdrücklich die großen Verdienste von Ernst Hundertmark, der 19 Jahre Dirigent war.

Stadtkapelle Bühl, 1933 mit Dirigent Ernst Hundertmark

Als die schwierigen 30er Jahre kamen, die neue Zuständigkeit des Reichsverbandes der Volksmusik da war und der 2. Weltkrieg begann, konnte Ernst Hundertmark die Stadtkapelle fast bis zum Kriegsende spielbereit halten. Es wurden die verbliebenen weltlichen und kirchlichen Feste musikalisch begleitet. Lücken in den Reihen der Musiker, die durch den Krieg entstanden, füllte er mit Jugendlichen, denen er eine kurze Musikausbildung gab. 19 Jahre, bis 1945 war er ein verdienstvoller Dirigent der Stadtkapelle Bühl.